CORVETTE STINGRAY

Liebe auf den ersten Stich

Der Rochen sticht wieder. Die erste Ausfahrt mit der Corvette zeigt: Amerikas Sportwagen-Ikone bleibt sich treu und geht mit der Zeit – mit einem konkurrenzlosen Preis und sportlichem Fahrverhalten.

Der Rochen ist wieder da. Die jüngste Ausführung des amerikanischen Kultsportwagens Corvette trägt wieder den Beinamen Stingray, also Stechrochen. Das weckt Erinnerungen, denen die siebte Corvette in der 60-jährigen Geschichte allein schon stilistisch gerecht wird. Die weitgehend aus Carbon gefertigte Karosserie zitiert trotz ihrer Stealthfighter-Anmutung durchaus Themen des Stingray aus den 70er-Jahren, als der legendäre US-Designer Bill Mitchell die General-Motors-Formen bestimmte: das spitz zulaufende Heckfenster oder die Coke-Bottle-Hüfte. Aber sonst ist alles anders. Wir nehmen Platz und blicken auf eine Umgebung, die es in dieser Qualität noch nie gab bei einer Corvette.
Kein billiger Kunststoff mehr, dafür sauber vernähtes Leder, attraktive Carbon-Oberflächen und exakte Passungen. Sie haben, nicht zuletzt durch den Einfluss des ehemaligen Entwicklungsberaters Bob Lutz, viel dazugelernt, die Amerikaner. Man glaubt es kaum: Die Corvette ist wahrhaftig Premium geworden. Bewährtes blieb erhalten. Etwa das großzügige Raumangebot und der für einen zweisitzigen Sportwagen riesige Kofferraum. Die Sitze lassen sich elektrisch auf jede Figur einstellen, das Cockpit zeigt die strenge Zweiteilung, die seit Jahrzehnten als Corvette-Merkmal gilt. Vor dem Fahrer ein Armaturenbrett in moderner Bildschirmtechnik, auf dem sich verschiedene Darstellungen des Drehzahlmessers abrufen lassen. Ganz klassisch oder Racer-mäßig mit integrierter Blinkleiste zur Anzeige des Schaltzeitpunkts. Corvette-Kenner wissen, dass man sich früher seine Vette mit den richtigen Häkchen auf dem Kaufvertrag gestalten konnte – als gemütlichen Cruiser oder als beinhartes, fauchendes Kraftpaket. Die moderne Elektronik sorgt dafür, dass heute alles in nur einem Auto möglich ist. Ein paar Klicks im Konfigurationsmenü genügen. Der Modus "Tour" macht die Corvette zum komfortabel federnden Reisesportwagen. "Weather" dämpft die Reaktionen für Schnee und Eis. "Sport" ist für Menschen, die gern an der langen ESP-Leine spielen. Und "Track" für Pistenräuber, die auf elektronische Fesseln gänzlich verzichten möchten.

Technische Daten Corvette C7 • Motor: V8 • Hubraum: 6162 cm³ • Leistung: 331 kW (450 PS) • max. Drehmoment: 450 Nm • Literleistung: 73 PS/Liter • Leergewicht: 1496 kg • Leistungsgewicht: 3,3 kg/PS • Getriebe: Siebengang manuell • Beschleunigung 0–100 km/h: 4,0 Sekunden • Vmax: 300 km/h • Preis 69.990 Euro

Schließlich noch "Eco". Da schaltet die Corvette zwischendurch mal vier ihrer acht Zylinder ab. Bisher haben sich die Corvette-Entwickler da nicht rangetraut – wegen des V8-Sounds. Aber die Zylinderabschaltung greift ohnehin nur beim gemütlichen Rollen, und dabei läuft der Motor so leise, dass der Unterschied zwischen vier und acht Zylindern kaum zu hören ist. Aber an der Tankstelle zu spüren. Die neueste Ausgabe des berühmten Smallblock-V8 kommt auf einen Normverbrauch von nur rund neun Litern. Und das ist ein Wort bei 6,2 Liter Hubraum und 450 PS. Einen beträchtlichen Anteil an der neuen Effizienz hat auch die Benzin-Direkteinspritzung, die erstmals bei einer Corvette mitfährt. Damit ist der Smallblock ein durchaus moderner Motor, auch wenn seine technischen Merkmale – nur eine Nockenwelle, zwei Ventile pro Zylinder – manche Hightech-Freaks die Nase rümpfen lassen. Aber die Corvette-Maschine ist dafür der kompakteste und leichteste Achtzylinder seiner Leistungsklasse, mit vergleichsweise wenig beweglichen Teilen, was wegen reduzierter innerer Reibung wiederum den Verbrauch zügelt. Das Ergebnis macht Lust auf mehr. Ein elektronisches Sperrdifferenzial sorgt für so gute Traktion, dass die Corvette aus den Startlöchern springt, als sei sie von einem Katapult abgeschossen. Das dumpfe Bollern des V8 wird mit zunehmender Drehzahl zum aggressiven Hämmern.

Es sollen, so das Versprechen der Vette-Väter, nur vier Sekunden vergehen, bis die 100-km/h-Marke niedergerissen wird, was angesichts des rückenverbiegenden Schubs durchaus glaubhaft erscheint. Vorausgesetzt, der Fahrer schaltet schnell genug. Der exakte geführte Schaltknüppel kommandiert ein neu entwickeltes Siebenganggetriebe (alternativ ist die Corvette auch mit einer Sechsstufenautomatik zu haben). Auf ein Doppelkupplungsgetriebe verzichtet das Entwicklerteam, weil echte amerikanische Sportwagenmänner nach wie vor gern kuppeln und schalten.

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Pulsbeschleuniger: Die Corvette sprintet in vier Sekunden auf Tempo 100 und erreicht 300 km/h.
Das neue Getriebe macht es ihnen leicht. Denn es verfügt über eine automatische Zwischengas-Funktion. Beim Zurückschalten wird vor dem Einlegen des niedrigeren Gangs ein exakt dosierter Gasstoß gegeben. Was sich nicht nur gut anhört, sondern auch ein störendes Bremsmoment an den Antriebsrädern vermeidet und so die Stabilität des ganzen Autos verbessert. Bei den Fahreigenschaften, schon beim Vorgänger wahrlich nicht von schlechten Eltern, hat die Corvette noch mal zugelegt. Die tragende Struktur, die sich unter der Kunststoff-Karosserie verbirgt, soll 20 Prozent steifer sein als bisher. Und, weil weitgehend aus Aluminium gepresst, 25 Prozent leichter. Gemeinsam mit dem neu abgestimmten Fahrwerk summieren sich diese Maßnahmen zu einem außerordentlich exakten Fahrverhalten mit hohem Querbeschleunigungspotenzial. Kurzum: Mit der Vette die Kurven zu kratzen bringt mal so richtig Spaß. Viel bessere Serien-Sportwagen findest du auf diesem Globus nicht. Nur in einem Punkt bleibt die neue Corvette von der Konkurrenz deutlich entfernt. Im Preis. Der ist in Europa eine echte Kampfansage: 69.990 Euro. Das ist der Stachel des Rochen, der so manchem renommierten Hersteller verdammt wehtun könnt

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