Maserati Ghibli Alter Name, neues Kapitel

Maserati wächst mit dem neuen Ghibli. Mit V6-Motoren plus Diesel soll der im Reich von Audi A6 und Jaguar XF räubern.

Auf dem Weg zur Exklusivität fährt man künftig einen kleinen Maserati. Den gibt es mit Diesel für 80 000 Franken. «Wow», denken alle, die sich bis jetzt keinen Maserati leisten konnten. Und «ups» sagen alle Stammkunden, die bis anhin 50 000 Franken mehr hingelegt haben. Und ihre Exklusivität nun bei Aston Martin und Bentley suchen müssen. Wie auch immer: 50 000 Verkäufe in 2015 sind das Ziel der Fiat-Tochter. Allein in diesem Jahr hat Maserati bereits 14 000 Bestellungen verbucht – doppelt so viel im ganzen Jahr 2012. Für das Wachstum muss sich Maserati breiter aufstellen. Sprich neue Modelle anbieten. Dabei soll der Ghibli helfen, der sich als Alternative zu Audi A6/A7, BMW 5er/6er, Jaguar XF oder Mercedes E-Klasse sieht. In der oberen Mittelklasse, dem E-Segment, kaufen Geschäftsleute. Für eine Automarke ein lukratives Segment. Gefallen dürfte diesem Kundenkreis das emotionale Design, nicht weit entfernt vom grösseren Quattroporte: lange Haube, dynamische Linien und kurzes Heck. Nur bei den Rückleuchten wurde zur Konkurrenz geschielt. Die Lichtsignatur ist etwas beliebig ausgefallen. Die Türen sind breit und rahmenlos geschnitten. Die gut konturierten Sitze sind bereits ab der Basis-Version mit feinem Leder von Poltrona Frau bezogen. Dazu lässt sich das Gestühl komplett elektrisch verstellen, ebenso Lenkrad und –man staune – die Pedalerie. Auf dem Mitteltunnel thront eng an der Mittelkonsole der Schaltknauf, was die Bedienfreundlichkeit der Klimaanlage etwas einschränkt. Neben der Schaltung gibt es eine auffällige Knopfleiste für die verschiedenen Fahrprogramme. Darunter auch der Modus «Ice», der sowohl den Eco-Mode aktiviert wie das Anfahren auf Schnee erleichtert.

Indirekt ins Internet

Elegant ins Cockpit eingebettet ist das 8,4 Zoll grosse Display mit Touchscreen, worüber alle wichtigen Funktionen gesteuert werden. Allerdings: Das auf Garmin basierende Navigationssystem überzeugt nur mäs­sig. Und der WLAN-Hotspot an Bord erlaubt zwar jedem Smartphone, nicht aber dem bordeigenen System den Internetzugriff. Das funktioniert bei der Konkurrenz schon besser. Vergeblich sucht man auch nach elektronischen Sicherheitssystemen wie Spurhalteassistent, Abstandstempomat oder Notbremsfunktion. Die sind in dieser Preisklasse aber mittlerweile üblich. Offensichtlich stand Sport statt Innovation bei Maserati im Programmheft. Was in dieser Klasse aber nicht so einfach zu trennen ist.

Folgerichtig fährt sich kaum ein Konkurrent so dynamisch wie der Ghibli. Dazu trägt die sehr ausgewogene Gewichtsverteilung von 50:50 bei. Trotz knapp fünf Metern Länge und rund 1,8 Tonnen gibt sich der Ghibli leichtfüssig und neutral.

Starker V6-Diesel Den positiven Eindruck trübt die etwas leichtgängige Lenkung. Doch Ivan Capelli, Ex-F1-Pilot und Maserati-Testfahrer, versprach, dass sie daran noch hart arbeiten, Rückmeldung und Lenkwiderstand bei höheren Geschwindigkeiten verbessern wollten. Die Test-Ghibli waren noch Vorserienmodelle. Kein Nachholbedarf gibt es bei den Motoren. Als überraschendes Novum darf man den V6-Diesel bezeichnen, der vom Fiat-Motorenguru Paolo Martinelli mit VM Motori speziell für den Ghibli entwickelt wurde. Mit 275 PS und 600 Newtonmetern Drehmoment legt der sich vehement ins Zeug, jedes Überholen ist ein Kinderspiel. In 6,3 Sekunden schafft der Mini-Maserati damit den Sprint auf Tempo 100. Im Stand hört man ein sanftes Nageln, danach sorgt ein sogenannter Soundsymposer für V8-ähnliche Klänge. Neue Töne gibt es auch beim Verbrauch. Laut Maserati soll der Diesel nur 5,8 Liter brauchen. Hierzulande dürfte der ab Herbst eingeführte Selbstzünder aber nur zehn Prozent der für 2013 geplanten 180 Ghibli ausmachen, kalkuliert Maserati Schweiz.

Kein V8 heisst es auch bei den Benzinern. Der mit 330 oder 410 PS erhältliche V6-Biturbo-Motor wird bei Ferrari in Maranello gefertigt. Der Kleinere wirkt wie ein kultivierter Gleiter. Drückt man aber den Sport-Mode, schiesst er wach wie nach einem doppelten Espresso los. Dabei tönt der Auspuff wie kleine Implosionen, die aber keine Fehlzündungen sind.

Allrad optional, V8 vielleicht Die Topmotorisierung, optional mit Allradantrieb, vermittelt am besten das begehrte Maserati-Gefühl: Betörender Sound, brachialer Antritt – in weniger als fünf Sekunden bis Tempo 100 – und dank 4x4 ein in noch weitere Ferne gerückter Grenzbereich. Der Ghibli S Q4 muss nicht wie viele seiner grossen Brüder überwintern. Wer auf V8 besteht, darf hoffen. Es gibt Spekulationen, dass im Ghibli ein V8 folgen könnte. Als besonders scharfe S-Version zum Beispiel. Muss man darauf warten? Nein. Mit dem V6 vermittelt der Ghibli bereits reichlich italienische Lebensart, die vor allem mit Emotionen punktet.

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