Zwei Mal 500, zwei Mal Mercedes, zwei Mal Brabus – das frisch renovierte Hubraum-Monster von einst trifft den frisch geföhnten Biturbo-Dampfhammer von heute. Na, wo wohl? Im Pott natürlich
Es muss eine wahre Orgie der männlichsten aller Tätigkeiten gewesen sein: Schweißen, Fräsen, Bohren, Planen, Honen. Ja, zum Teil sicherlich auch im Thyssen-Hochofenwerk Duisburg-Nord, wo bis 1985 Stahl produziert wurde. Doch vorrangig sind die Werkshallen von Brabus gemeint, als dort in den frühen neunziger Jahren auf Basis des Mercedes E 500 eine Variante mit 6,4-Liter-V8 entstand. Heute, rund 20 Jahre später, besteht die Orgie beim Fahrzeug-Tuning vorwiegend aus Nullen und Einsen, und im Hochofenwerk finden Freilicht-Kinoveranstaltungen, Konzerte sowie Kletterkurse statt.
Das alles spiegelt sich im Brabus-Mercedes CLS 500 4matic Shooting Brake wider: die Vermischung klassischer Konzepte zu etwas Neuartigem – einem viertürigen Kombi-Coupé –, unter dessen Blech ein mit Hightech-Hilfe optimiertes, hochmodernes Triebwerk steckt. Nachbearbeitete Zylinderköpfe, feingewuchtete Kurbelwelle, maßgefertigte Nockenwellen? Keine Spur. Stattdessen: akribisch programmierte Steuerelektronik, tausendprozentig berechneter optimaler Kühlkreislauf, Anpassung der gesamten Peripherie. Durch diese Maßnahmen steigt die Leistung des 4,7-Liter-Biturbo-V8 von 408 auf glatte 500 PS, das Drehmoment schwillt von 600 auf 720 Newtonmeter an – bei geradezu lächerlich niedrigen 1.800/min. In diesem Drehzahlbereich sortiert Senior noch seine mächtigen Kolben und Pleuel, bringt nicht einmal ein Drittel seines maximalen Drehmoments von 662 Newtonmetern auf. Er rollt friedlich vor sich hin, recht komfortabel sogar, 18-Zoll-Räder waren damals schließlich mehr als genug; vor allem die zehn Zoll breiten Walzen an der Hinterachse.
Brabus W124 mit echter Vollausstattung
Der Viergang-Wandlerautomat quirlt bereits in der höchsten Stufe, es bleibt Zeit, sich kurz mit der Einrichtung des W 124 auseinanderzusetzen. Die von unzähligen Verkäufern schändlich missbrauchte Vokabel Vollausstattung darf hier ungestraft verwendet werden. Ach, Code 245, der Reiserechner, fehlt? Den gab es ab der zweiten Modellpflege nicht mehr, ätsch. Und ja, die elektrische Lenksäulenverstellung hat er, die Standheizung sowieso. Und als Brabus 6.5 (etwas optimistisch vielleicht) hat er vor allem eines: unanständig viel Hubraum. Immerhin stammt der Mercedes aus einer Zeit, in der bestenfalls die lustigen Trolle von Saab mit Turbobenzinern in nennenswerten Stückzahlen hantierten.
Unter 4.000 Umdrehungen summt das V8-Triebwerk vor sich hin, so wie wohl Bud Spencer vor sich hinsummen würde: tief, leicht vibrierend, abwartend. Beim Neuaufbau verzichteten die Brabus-Techniker auf die zeitgenössischen Doppelendrohre in angeschrägter Salami-Optik, Krümmer und Katalysatoren fertigten sie hingegen neu – Firmenchef Bodo Buschmann wünschte es sich so. Für ihn änderte sich übrigens im Lauf der Zeit gar nicht mal so viel: "Schon als der W 124 auf den Markt kam, war gutes Tuning eine echte Herausforderung – wie heute auch. Und bislang konnten wir sie immer bewältigen", erzählt er. Bewältigen bedeutet im Fall des E 500: mit einem irren Motor niederringen, der irre viel Geld kostete – 55.890 Mark. Der alte Daimler-Geist wirkt noch
Ungeachtet der nicht mehr ganz taufrischen Getriebetechnik hängt das Doppelrahmstufen-Triebwerk geradezu lüstern am Gas, einzig das Fahrpedal – typischer Mercedes-Jargon – fühlt sich ein bisschen danach an, als trete man auf einem Schaumstoffwürfel herum. Wer je dessen Boden erreicht, erlebt, wie sich der Bug ein wenig aus den Federn hebt und der massige 32-Ventiler darunter giert, ausbricht, eruptiert. Dann schraubt sich der V8 knurrend und bebend bis zum Begrenzer irgendwo bei 6.000/min, dreht frei, leicht und lässig, ein bisschen trotzig vielleicht, als wolle er es dem neumodischen Turbo-Plunder noch einmal beweisen.
Inzwischen sind es Elektronik und Modellvielfalt, die dem Tuner Brabus Kopfzerbrechen bereiten. "Bei der neuen S-Klasse montiert Mercedes vier verschiedene Varianten der Frontschürze. Hinzu kommt die Elektrifizierung des Antriebsstrangs", sagt Constantin Buschmann, der den Betrieb weiterführen wird. Selbst mit Elektroantrieben beschäftigt sich das Unternehmen, stellte eine E-Klasse mit Radnabenmotoren auf die Räder und widmet sich intensiv dem E-Smart (Buschmann senior: "Da wollen Sie nicht mehr aussteigen").
Im W 124 atmet dagegen noch der alte Daimler-Geist aus soliden rechteckigen Lüftungsdüsen, eingefasst in das Alcantara-bezogene Armaturenbrett, keuchend von der Klimaautomatik gekühlt. Die Rundumsicht verschlechtert sich nur dann, wenn das elektrische Heckrollo hochgezogen wird; die hochwertigen Lederbezüge aus der hauseigenen Sattlerei knarzen heimelig. Kann mal jemand noch ein paar Holzscheite im Kamin nachlegen?
Brabus CLS ist anders
Nein, das Feuer unter der Haube erlischt für einen Moment, denn stimmgewaltig erhebt der Brabus CLS Anspruch auf Beachtung. Der modifizierte Shooting Brake repräsentiert nicht die komplette Bandbreite des Brabus-Schaffens, lässt stattdessen das Können der Truppe akzentuiert aufflackern. Der Senior plaudert weiter: "Es ist nicht unser Anspruch, einen Mercedes besser zu machen. Wir befriedigen individuelle Kundenwünsche, und das mit größtmöglicher Qualität" – ganz gleich, ob der Wunsch nun in ferrarirotem Lack für ein G-Modell, einem aufwendigen Multimedia-System für den Viano oder in einem 800-PS-E-Klasse-Komplettumbau gipfelt. Im Falle des CLS würde Buschmanns Anspruch bedeuten, dass auch nach der Leistungskur die begeisternd spontane Gasannahme sowie die harmonische Leistungsentfaltung des Biturbo-Aggregats erhalten bleiben.
Aus den vier vergleichsweise zurückhaltenden Endrohren fließt warmer Achtzylinder-Klang, wabert um die 20-Zoll-Räder. Ein Elektronik-Modul befiehlt der Luftfederung, den Shooting Brake tiefer zu legen, ein Tritt auf das Fahrpedal befiehlt den Angriff. Die erniedrigende Wucht der Beschleunigung lässt kurz Sorge um das Wohl der Antriebswelle aufkommen, doch der Brabus-Mercedes berserkert weiter, als strebe er eine umfassende Landnahme an – ganz ehrlich, keine Chance für den Oldie, zumal nur beim direkten Umstieg das im Vergleich zum Sauger minimal verzögerte Ansprechverhalten des Biturbos auffällt. Zum Serien-V8 lässt sich dagegen kein Unterschied feststellen, der Brabus-Kit bewahrt die positiven Eigenschaften, ergänzt um noch mehr Leistung.
Neuer Brabus-Übermotor in Arbeit
Das war es also? Ein bisschen Elektronik, ein zusätzlicher Kühler, das alles für rund 7.000 Euro, und fertig? Nicht ganz. Schweißen, Fräsen, Bohren, Planen, Honen – das können sie auch heute noch bei Brabus, nur die Methoden haben sich den modernen, computerisierten Fertigungstechniken angepasst. Derzeiten tüfteln sie an einem neuen Über-Motor. Es wird eine Leistungs-Orgie werden, die nicht nur alte Stahlwerke erschüttert. Ganz bestimmt.
Facetten des Familien-Unternehmens Brabus
Seit der Gründung 1977 zählt Brabus zu den wenigen Konstanten der Tuning-Branche. Inhaber Bodo Buschmann beschäftigt aktuell in den drei Bottroper Werken 350 Mitarbeiter. Sie veredeln alle gängigen Mercedes-Modelle und fertigen in einem gleichberechtigten Joint-Venture mit Smart individuelle Varianten des Fortwo. Darüber hinaus ist das Familienunternehmen Service-Partner von Mercedes, handelt mit Exoten, restauriert Klassiker, stattet Yachten und Flugzeuge aus und stellt über die Tochter CRD Sonderserien für Marken wie Land Rover, Infiniti und Kia her.
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